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Ein Kinderbuch zu schreiben, das kann ja nicht so schwer sein. Das ist nicht so viel Text, da braucht man keine superkomplexe Geschichte und riesige Spannungsmomente, weil zu gruselig und aufregend darf es ja eh nicht werden. Das mit der Rechtschreibung wird dann auch einfacher, weil man keine verschachtelten Sätze braucht, bei denen man nicht weiß, wo die Kommas hinkommen und auch die Wörter dürfen ja nicht so schwer sein. Alles kein Problem. Das mach ich mit Links.

Auch als Kinderbuchlektor fängt man sich manchmal Blicke oder Kommentare von Jugendbuch- oder Belletristik-Kollegen. Als würden sie einen bemitleiden, weil man ja nicht mit den anspruchsvollen Geschichten arbeitet. Oder sie nehmen sich wichtiger, weil sie ja die hohe Literatur betreuen und man selbst nur diese paar Zeilen als Manuskript hat. Was soll bei einem Lektorat von drei Seiten denn so kompliziert sein?

Alles Quatsch, finde ich. Es ist nicht leicht, ein Kinderbuch zu schreiben oder zu lektorieren. Je weniger Text man hat, desto präziser muss man arbeiten. Da kann man nicht ausschweifen und irgendetwas noch mal erklären. Es muss sofort klar sein. Es gibt keine Chance, dass der Leser nach 50 Seiten doch noch ins Buch findet, auch wenn er sich durch den Anfang gekämpft hat – da ist das Kinderbuch nämlich meist schon zu Ende.

Ich habe Vorlesebücher, Kinderbücher für die Altersgruppen 7 bis 10 und richtige Middle-Grade-Fantasy-Schmöker betreut, alles mit großer Leidenschaft, aber je kürzer die Texte waren, desto schwieriger fand ich es. Ich war immer froh, dass ich nicht für die Erstleser oder Bilderbücher zuständig war. Da kann nicht ein einziges Wort verrutschen. Da gibt es Sinnzeilen und Silbentrennungsbände zum Lesenlernen. Wo in der Textmenge eines Jugendbuches ein Rechtschreibfehler schon mal untergeht, darf bei den Kleinen wirklich gar nichts schiefgehen. Und wie, bitte, fasst man eine Geschichte so kurz, die dann trotzdem noch eine spannende Geschichte erzählt? Wie soll sich denn ein Charakter entwickeln, seine Angst abschütteln, ein Kind ein Geschwisterkind bekommen, Verkehrsregeln lernen oder einen traumatischen Arztbesuch bewältigen? Ich finde das ganz schön schwierig! Und dann muss ja immer alles noch originell und lustig sein und darf noch nicht hundertfach auf dem Markt existieren.

Natürlich ist das das Spezialgebiet von vielen Autoren und Lektoren und diese können sich vielleicht nicht vorstellen, längere Texte zu schreiben, aber ich hab vor diesen Wortkünstlern einen riesigen Respekt – ich bin ja eher die Schwafeltante.

Einen riesigen Anteil der Einreichungen im Selfpublishing sind Bilderbuchtexte, die sich mit Illustrationen zu Büchern von 15 bis 30 Seiten zusammenfinden. Natürlich „braucht“ auch von diesen Büchern jedes ein bisschen etwas anderes, vor allem das, was der Autor aus ihm machen möchte, dafür sind wir ja im Selbstverlag. Aber vielleicht kann man sich ja von den Publikumsverlagsbüchern doch ein paar Dinge abschauen.

Was braucht also ein Bilderbuch? Es braucht eine für die Altersgruppe angemessene Geschichte, die die Lebenswelt des Kindes widerspiegelt. Die Kinder müssen verstehen, was vor sich geht. Ein Kinderbuch braucht ein Thema, um das es sich dreht, und mit dem man in kurzen, knappen Worten jedem beschreiben kann, worum es geht – das macht den Verkauf leichter. Meist machen die Kinder einen Lernprozess durch, denn das ist das tägliche Brot der „Leser“. Kinder lernen am laufenden Band neue Dinge, die Bücher helfen ihnen dabei. Ein Buch hat also einen Ausgangspunkt und muss eine Lösung bieten – ein Beispiel: Ein Kind soll zum Arzt und hat Angst. Die Eltern versuchen ihm beizubringen, dass ihn nichts schlimmes erwartet, der Besuch beim Arzt folgt und am Ende verliert das Kind seine Angst vor dem Arzt, weil ihm tatsächlich nichts schlimmes passiert ist. So die Kurzfassung – kann das jemand in Schön?

Und wenn man es dann tatsächlich geschafft hat, eine für Kinder wichtige Thematik altersgerecht und mit Message zu erzählen, braucht man noch Illustrationen. Diese sind sehr aufwendig, weil vierfarbig und großflächig. Je professioneller das Buch werden soll, desto professioneller muss der Illustrator sein. Natürlich können auch Bücher mit Buntstiftzeichnungen wunderschön sein und sich ordentlich verkaufen, aber die Illustratoren der Publikumsverlage haben ihr Handwerk meist an Universitäten gelernt. Man kann tatsächlich „Kinderbuchillustrator“ studieren. Die Arbeitsleistung dieser Illustratoren einzukaufen ist natürlich kostspielig – auch wenn viele für Ihre Mühe und Zeit auch dann nicht als fair bezahlt gelten können – und für einen Autoren im Selfpublishing kaum zu stemmen. Aber wie gesagt, es muss ja nicht die Voll-Profi-Zeichnung sein, es gibt ja viele begabte und auch unentdeckte Künstler da draußen. Und wir freuen uns natürlich über jeden Autor, der seine Zeichnungen selbst anfertigt – ob nun mit Buntstift, Tusche oder Filzstift. Trotzdem lohnt ein Abgleich mit den Erwartungen an den Verkauf meines Buches und dem Material, das ich selbst liefern kann. Mir ist kein Buch bekannt, dass mit Filzstiftzeichnungen reißende Verkaufszahlen erreicht hat oder mit einer Mischung aus allen Stilrichtungen und Maltechniken. Wie gesagt, das heißt nicht, dass man diese Bücher nicht machen sollte oder dass sie allgemein nicht schön wären – der Käufer im Thalia oder Hugendubel ist aber meist eine andere Optik gewohnt und wird sich wohl erst einmal über den Stilmix wundern.

Eine gute Geschichte und schöne Illustrationen – es lässt sich einfach zusammenfassen, was ein Kinderbuch „braucht“. Was MEIN Kinderbuch braucht, muss natürlich jeder selbst wissen und mit seinen Erwartungen abgleichen. Zu empfehlen ist auf jeden Fall immer eine Konkurrenzrecherche – wie haben es eigentlich die Autoren gelöst, deren Bücher ich bei Thalia finde? Wie steht mein Thema im Vergleich da und sehe ich in meinem Text oder meinen Layoutvorstellungen noch Verbesserungspotenzial? Und dann zeigen Sie es den hochnäsigen Romanschreibern und meistern die schwierige Aufgabe, ein gutes Kinderbuch zu schreiben!