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„Du kennst dich doch mit Kinderbüchern aus. Schreib doch mal, was so ein gutes Kinderbuch ausmacht.“
Puh. Wann kennt man sich denn mit etwas aus? Weil man jetzt seit acht Jahren hauptsächlich Kinderbücher liest und produziert? Weiß man deshalb, was ein gutes Buch ist? Ist das Buch, das ich für gut befinde, auch in den Augen anderer ein gutes Buch? Ist das nur meine Meinung oder teilen die „alle“? Teilen sie vielleicht sogar sehr viel mehr Menschen als die Verkaufszahlen sagen, aber die eigentlich begeisterten Leser haben das Buch einfach im ganzen Buchschwemmechaos auf dem Markt nicht gefunden? Fragen über Fragen, auf die ich gern öfter mal eine Antwort bekommen würde.
Ist Harry Potter ein gutes Kinderbuch? Ich liebe Harry Potter. Mein Bruder findet es doof und hat sich durch zwei Bände „gekämpft“ und im dritten gelangweilt aufgegeben. Kann ich ja nicht verstehen, aber einige von Ihnen bestimmt. Ein Kinderbuch ab 10 über einen Zauberer, es geht ein bisschen komplex los mit dem Ligusterweg, man weiß da noch nicht so recht, worauf man sich einlässt. Die Länge ist ok, das kann ein 10jähriger schaffen. Aber mal ehrlich – bereits im ersten Band stirbt Professor Quirrel einen ziemlich hässlichen Tod. Er mag sich „mit der falschen Seiten“ eingelassen haben, aber so ein bisschen Schuld ist Harry ja schon, dass Quirrel da vor seinen Augen zerbröselt. Er hätte ihm den Stein der Weisen ja auch geben können. Jaja, hätte er nicht weil … Aber: Ein Kind Schuld am Tod eines Menschen? Woa, kann man im Zusammenhang vertreten, aber doch auch ein bisschen fragwürdig finden. Die Folgebände werden immer länger und gewalttätiger. Als mein 10jähriges Patenkind sagte, sie hätte jetzt alle Bände gelesen, war ich entsetzt. „Aber da sterben so viele Leute! Das ist so gruselig!“ Sie hat es gut verkraftet.
Wer soll jetzt also bestimmen, ob wir hier ein gutes Kinderbuch haben? Ich würde sagen, für Spannung ist gesorgt, die Charaktere sind toll ausgearbeitet, für jeden ist eine Identifikationsfigur dabei, die Fantasie der Kinder wird angeregt, wenn sie sich Hogwarts vorstellen und ich habe einen unfassbaren Respekt vor der Autorin (und auch ihren Lektoren, falls diese etwas zu sagen hatten), die über 7 Bände einen unglaublichen Plot erschaffen hat, in dem alles zusammenspielt.
Aber da stimmen mir auch nicht alle zu – nicht alle Leser haben „durchgehalten“, die Bücher wurden wegen Verherrlichung von Hexerei verbrannt, die Identifikationsfiguren fanden nicht alle so toll (Warum muss wieder das Mädchen der merkwürdige Nerd sein?) und mit der zunehmenden Gewalt sind auch nicht alle klar gekommen. Spätestens im vierten Band konnte man sich schon fragen, ob das noch kindgerecht ist. So urteilte beispielsweise auch die FAZ: (Harry Potter) ist im Finale des vierten Bandes „Harry Potter und der Feuerkelch“ mit einer Form von seelischer und physischer Gewalt verbunden, wie sie Kindern nicht mehr zuzumuten ist. (…) Joanne K. Rowling hat gegen das oberste Gebot der Kinder- und Jugendliteratur verstoßen. Zarte Seelen brauchen ein Happy End. Hier aber wird das Böse, ja der Weltuntergang, heraufbeschworen. Kein Märchen dürfte so enden. Auch nicht „Aschenputtel“. (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/romanatlas/rezension-der-vierte-potter-ein-alptraum-fuer-den-jungen-leser-117668.html)
So sehr ich auch Fan bin – da ist doch was dran? Wenn man ein neues Buch mit solcher Gewalt auf den Markt bringen würde, die Mutter würde die Buchhändlerin fragen, was sie ihrer 10jährigen mitbringen soll und die Verkäuferin würde sagen: „Das hier, das ist ganz toll, superspannend, viel Magie und Fantasie, eine ganz eigene Welt, aber am Ende sterben ganz viele Charaktere, die man toll findet“, würde die Mutter wahrscheinlich sagen: „Hm, haben Sie vielleicht auch was ohne Gewalt?“
Was ein gutes Kinderbuch ist, definiert wohl jeder etwas anders.
Der Verleger will Geschichten, die in sein Verlagsprofil passen und die er glaubt, auf dem großen Markt verkaufen zu können.
Eltern wollen vielleicht erst einmal, dass ihr Kind überhaupt anfängt zu lesen. Jedes Kind hat andere Lesefähigkeiten. Deshalb braucht das eine vielleicht erst einmal einen sogenannten Erstleser mit einem Thema, das ihn interessiert. Vielleicht sind das Prinzessinnen oder Fußball. Wenn dann Eltern aber keine Genderthemen haben wollen, gibt es schon gleich das nächste Problem und Ausschlusskriterium für ein „gutes Buch“. Vielleicht ist das Kind aber auch so eine Leseratte, dass es mit zehn Jahren gut mit allen sieben Bänden Harry Potter klarkommt.
Darf das Kind lesen, was es möchte, oder reguliere ich? Finde ich Fantasybücher schädlich und will, dass mein Kind sich in der realen Welt bewegt? Dann fliegen auch schon ganz schön viele Bücher von dem persönlich möglichen Lesemarkt und den für mich „guten“ Büchern.
Jeder hat seine eigenen Kriterien und Vorstellungen von einem guten Buch. Das ist ja schon mit der eigenen Lektüre so. Noch schwieriger wird es, wenn ich nach guten Büchern für ein Kind suche – denn ob ein Buch einem Kind gefällt, ob es es gut findet, ist dann die Entscheidung des Kindes. Und da kann ich die Geschichte noch so fesselnd gefunden haben, wenn es mein Kind langweilt, hat das Buch nicht gewonnen. Und wenn ich eine Geschichte langweilig finde, kann sie mein Kind immer noch faszinieren.
Ich habe mal ein Praktikum in einem kleinen englischen Verlag gemacht, der von einem sehr erfolgreichen Mann geführt wurde – er hat Philip Pullman entdeckt, Michael Morpurgo zählt zu seinen besten Freunden und er hat Titel wie „Der Junge im gestreiften Pyjama“ verlegt. Ich sollte ein Manuskript prüfen, das sie eingekauft hatten und ich war ehrlich gesagt nicht so angetan davon. Als er mich fragte, wie ich es fand, war ich unsicher, was er von mir hören wollte. Aber ich kann nicht gut lügen, also sagte ich: „Ich bin mir nicht sicher, ob das funktionieren wird.“ Er lachte und sagte: „Da weißt du genauso viel wie ich. Willst du Lektorin werden?“ Ich sagte ja, aber das ich nicht wüsste, ob ich wirklich Urteile fällen könnte, über die Qualität von Büchern, schließlich hätte ich ja nur meinen eigenen Geschmack und ein paar verlagsinterne Regeln, nach denen ich urteilen könnte. Wie sollte ich kleiner Mensch beurteilen, ob ein Autor eine Chance bekommt? Er antwortete, dass diese Entscheidungen immer subjektiv und schwierig wären. Aber wenn mir ein Buch gefallen würde, dann wäre es doch schon ein gutes Buch – nur weil es hinterher vielleicht keine massenhaften Verkaufszahlen erreicht, hat es doch immerhin schon einmal mir gefallen und der Autor hat einen Fan.
Auch die großen Weisen sind also wenig schlauer als wir. Was ein gutes Buch ist, muss jeder selbst entscheiden. Ein gutes Buch ist nicht zwangsläufig eines, das sich gut verkauft und ein Buch, dass sich gut verkauft, muss für Sie nicht gut sein. Lassen Sie sich nicht verrückt machen und urteilen Sie selbst.
Das war vielleicht nicht, was die Kollegen meinten, als sie mir dieses Artikelthema zuschusterten, aber eine besser Antwort hab ich gerade nicht parat. Das nächste Mal versuche ich, ein bisschen mehr Wissen einzustreuen, versprochen.