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Welche Rolle spielt das Lesen im Jahr 2019? Das war eine der Fragen, der sich junge Leute aus der Buchbranche, d.h. Auszubildende, VolontärInnen, PraktikantInnen, Studierende buchnaher Studiengänge und junge MitarbeiterInnen widmen sollten, um sich für einen Platz im diesjährigen Nachwuchsparlament zu bewerben. Auch ich habe dazu einen Essay verfasst, den ich mit den folgenden Worten abgeschlossen habe:
„2019 lesen wir definitiv nicht weniger, das Lesen an sich hat auch nicht an Bedeutung verloren. Ganz im Gegenteil, es wird mehr gelesen. Es gibt eine größere Auswahl an Lesestoff. Die Qualität der Dinge, die wir lesen, lässt sich auf einer größeren Skala auffächern und bietet viel Raum für Kritik.Wichtig ist meiner Meinung nach hauptsächlich eines: Lesen spielt auch 2019 noch ein Rolle, doch der Leser selbst spielt noch eine wichtigere. Denn wir, die Leser, entscheiden, was wir lesen, welche Bücher wir kaufen, welche Beiträge wir teilen und wie wir auf Texte reagieren.Jeder Einzelne hat also einen Einfluss darauf, welche Rolle Lesen in diesem Jahr spielt und in den kommenden Jahren spielen wird.“

Ich erhielt bald darauf die Zusage, dass ich eine der 100 TeilnehmerInnen des Nachwuchsparlaments des Börsenvereins sein dürfte, welches das Ziel hat, jungen Leuten aus Buchhandlungen und Verlagen ein gemeinsames Forum zu bieten. Am Montag, den 17. Juni ging es los. Die Location der Buchtage: das Ellington-Hotel in Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin. Ich wusste bei meiner Ankunft ehrlich gesagt noch nicht, was mich bei den Buchtagen eigentlich erwartet. Langweilige Vorträge über Finanzen, da der Veranstalter schließlich der Börsenverein ist? Oder sollte ich mich doch auf angeregte Diskussion und vielfältige Themen freuen? Wenn euch interessiert, welche Erfahrungen ich beim Nachwuchsparlament und den Buchtagen sammeln konnte, lest gerne weiter. Soviel vor weg: Ich wurde jedenfalls nicht enttäuscht.

Schon am ersten Tag erwartete uns ein volles, abwechslungsreiches Programm. Eingeleitet wurde das Nachwuchsparlament mit einem Jubiläumspodium, denn schließlich fand es bereits zum zehnten Mal statt. Wir nahmen im Rahmen der IG Digital Jahrestagung an einer Fishbowl-Diskussion zu Digitalen Skillsets und Table-Sessions mit verschiedenen Schwerpunkten rund um Leserbindung, digitale Innovationen und Soziale Medien teil. In verschiedenen Workshops erhielten wir die Möglichkeit, selbst Gedanken zu einem Thema zu entwickeln und zu präsentieren. In dem Workshop: „New Work, Arbeitswelten der Zukunft – wie verändert sich mein Arbeitsplatz?“, wurden wir gleich zu Beginn gefragt, wie zufrieden wir mit unserer Arbeit sind. Anonym sollten wir Klebezettel auf einer Skala von »unzufrieden« bis »sehr zufrieden« anbringen. Das Ergebnis war eine freudige Überraschung. Freudig, da die große Mehrheit sich zwischen »zufrieden« und »sehr zufrieden« einsortiert hatte. Überraschung, weil eben so viele vor diesem Karriereweg warnen und mangelnde Bezahlung und Jobunsicherheit meist im selben Atemzug wie die Buchbranche erwähnt werden. In der Diskussionsrunde wurde schnell deutlich, dass es Unzulänglichkeiten gibt, die aber die grundsätzliche Begeisterung für die Arbeitswelt der Bücher nicht oder nur wenig hemmen. Auch die Umfrage des Digital Publishing Reports von August 2018 erbrachte ähnliche Ergebnisse. Dabei gaben nur 12% der Befragten an, unzufrieden oder sehr unzufrieden mit ihrem Job in der Verlagsbranche zu sein. http://digitalpublishingreport.de/dpr_Heft8_2018.pdf

Im Rahmen der Nachwuchsparlamentssitzung am Dienstagvormittag lag es dann an uns, unsere Wünsche, Probleme und Forderungen in Bezug auf die Buchbranche als Arbeitgeber zu äußern, damit diese dann durch die Nachwuchssprecher vor dem Kongress vorgetragen werden konnten. Die größten Ärgernisse: befristete Arbeitsverträge, schlechte Bezahlung oder kein Raum, um neue Ideen in die Unternehmen selbst mit einzubringen. Offenbar haben es viele Auszubildende in den Verlagen und Buchhandlungen schwer. Selbstverständlich hört man nicht gern von Problemen, aber wie auch Prof. Dr. Gerhard Lauer in seinem Vortrag am Dienstag erwähnte, sind Menschen nicht dauerhaft zufriedenzustellen. Und das ist auch gut so, denn es wird immer Raum für Verbesserung und neue Ideen geben. Umso schöner ist es doch, dass das Nachwuchsparlament dazu die Möglichkeit bietet und diese auch wahrgenommen wird. 16 der 100 Teilnehmer haben sogar Arbeitsurlaub genommen, um nach Berlin zu kommen. Daraus wurde gleich ein weiterer wichtiger Punkt deutlich, der vor dem Kongress vorgetragen werden sollte: Verlage und Buchhandlungen sollten ihre Auszubildenden unterstützen, wenn sie sich mehr in die Vorgehensweisen der Buchbranche einbringen und die Branche selbst voranbringen wollen. Denn das ist es doch, was die Arbeitgeber wollen und fordern: junge, engagierte Arbeitskräfte mit denen sie ihr Unternehmen im Geist der Zeit leben lassen.

Der Nachwuchs, die Zukunft der Buchbranche, sollte ernst genommen werden. Verlage und Buchläden klagen über zu wenig junge Leute in ihren Unternehmen. Sie benötigen »Digital Natives« um aktuell zu bleiben, die Branche nach außen tragen zu können und sich eben nicht – und im übertragenden Sinne das Buch selbst – als das verstaubte Etwas darzustellen, das in der digitalen Welt nicht mehr benötigt wird.
So berichteten einige, dass man in ihren Unternehmen Aufgaben wie Social Media gerne den Jüngeren überließe und wie selbstverständlich annimmt, dass diese dann auch einen gewissen Erfolg erzielen. Jedoch wurden ihnen dazu weder die Materialien, um qualitativ gute Fotos und Videos zu erstellen, noch ein genügender Zeitraum zur Verfügung gestellt. Leute, die eben noch nie einen professionellen Beitrag für ein soziales Netzwerk erstellt haben, wissen nicht, dass ein schönes Foto inklusive interessantem Text nur dann seinen werbenden Zweck erfüllt, wenn auch Arbeit darin investiert wird. Auch wir »Digital Natives« machen solche digitalen Beiträge eben nicht nebenbei, deshalb gibt es in zahlreichen Firmen bereits Menschen, die sich ausschließlich mit Social Media Arbeit beschäftigen. So fehlt es scheinbar an dieser Stelle noch deutlich an Verständnis und ein Austausch zwischen den Branchen-Urgesteinen und dem Nachwuchs ist dringend notwendig. Denn nur dann können beide Seiten davon profitieren: Unternehmen erhalten engagierte junge Leute, die ein modernes Image nach außen tragen, und wir fühlen uns und unsere Arbeit wertgeschätzt.

Digitalisierung stand als Hauptthema über einer Vielzahl der Vorträge im Rahmen des Kongresses am Dienstag. „Lesen im Zeitalter der digitalen Renaissance“, von Prof. Dr. Henning Lobin, „Am Ende das Buch. Lesen im digitalen Zeitalter“, von Prof. Dr. Gerhard Lauer und „Die Rolle von Autorinnen und Autoren in einer digitalisierten Gesellschaft“, von Lena Falkenhagen, beschäftigten sich mit sehr verschiedenen Herangehensweisen mit der Bedeutung der Digitalisierung für die Buchbranche, den Lesern, Verlagen und Autoren.
Trotz Digitalisierung, Sozialen Medien und Co. ist die Zahl der Buchkäufer in Deutschland erstmals seit dem Jahr 2012 wieder gestiegen. Auch junge Menschen, die Digital Natives, sind nicht restlos vom Internet eingenommen. Die größten Zuwächse ließen sich gerade in den jüngeren Altersgruppen von 20 bis 29 Jahren (15,2% mehr Käufer) und von 30 bis 39 Jahren (15,8%) verzeichnen. Die Digitalisierung sollte also nicht als die große, dunkle Bedrohung für den Buchmarkt betrachtet werden, sondern wie auch der neu gewählte Nachwuchssprecher Lennart Schaefer betonte, als eine Chance, die es zu nutzen lernen gilt. Den Austausch der Leser untereinander, mit Autoren und die Möglichkeit der Verlage und Buchhandlungen noch mehr Kunden für sich zu gewinnen und an sich zu binden, all das bietet das Internet. Aber natürlich nur dann, wenn man es richtig zu verwenden weiß.

In der Buchbranche verdient man nichts. Die Buchbranche gibt es bald nicht mehr. Mit Büchern kann man doch nicht arbeiten. Aussagen, die jedem bekannt sind, der seinen Karriereweg in diese Richtung eingeschlagen hat oder es zumindest vor hat. Es stimmt, die wenigsten in der Branche werden reich. Und ja, es gibt viele Verlage, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Doch es stimmt nicht, dass Verlags-, Buchhandel- und Literaturagenturjobs keine attraktiven Arbeitsplätze sein können, für die sich niemand begeistert und die keine neuen, motivierten Leute anziehen. Und die Erfahrungen, die ich im Laufe der Buchtage sammeln konnte, haben mir das erneut bewiesen. Es wurde viel über die Probleme gesprochen, die Schwierigkeiten und Hürden, die noch zu überwinden sind. Doch während der gesamten Veranstaltungszeit sah man lachende, gut gelaunte Gesichter, erlebte enthusiastische Diskussionen und eine insgesamt ausgelassene Stimmung, sowohl bei uns, dem Nachwuchsparlament, als auch bei den versammelten Mitgliedern des Börsenvereins, den Bloggern, Verlags- und Buchhandelsangestellten, die bei den Buchtagen bereits häufiger dabei waren.
In den drei Tagen habe ich einen intensiven Einblick in die Branche erhalten, konnte mich mit anderen Leuten in meinem Alter austauschen, die dasselbe Interesse wie ich teilen und wichtige Gesichter der großen Verlage und Buchhandlungen kennenlernen. Doch vor allem haben mir die Buchtage eines gegeben: das Gefühl, in der Buchbranche richtig zu sein.
Ich möchte nächstes Jahr wieder mit dabei sein und kann es auch allen anderen Nachwüchslern der Buchbranche ans Herz legen, sich ebenfalls zu bewerben.