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Nachdem wir in der letzten Woche schon einmal kurz das Entstehen von Bestseller-Listen angesprochen haben, möchte ich heute mal die Frage aufwerfen, was ein Buch zu einem Bestseller macht.

Ich war letztensauf der Lesung von Ferdinand von Schirach und war danach sehr deprimiert. Die Geschichten warensehr düster, wenig positiv, lassen an der Menschheit zweifeln und seine Abschiedsworte haben mich auch nicht aufgebaut. Ja, seine Texte sind wichtig und haben Hand und Fuß – das verstehe ich schon. Aber danach habe ich mich gefragt, wäre er nicht Ferdinand von Schirach, sondern Karl Müller, würde ein renommierter Verlag dieses Buch auch kaufen und herausgeben? Täglich habe ich mit Manuskripten zu tun, die vielen Titel auf den aktuellen Spiegel-Bestseller-Listen entsprechen und dennoch finden Sie keinen Anklang bei DTV, Goldmann und Co. Da frage ich mich natürlich, was unterscheidet die Normalos von den namenhaften Autoren und ihren Büchern? Natürlich der Name, keine Frage. Und auch der Stil. Man muss schon sagen, dass da oftmals mehr Substanz hintersteckt, als hinter einem „ich rege mich über die Gesellschaft auf“-Pamphlet.

Gerade lese ich „Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen“ von Axel Hacke –tolles Buch, gut geschrieben –auch wenn ich ob der Größe des Buches etwas enttäuscht war – für 18€ erwartete auch ichmehr. Trotz des tollen Stils –sehr flüssig, in der S-Bahn habe ich 50 Seiten verschlungen –habe ich nichts gelesen, das ich nicht auch fast täglich in den Manuskripten finde, die ich bekomme. Trotzdem ist Herr Hacke bei Kunstmann unter Vertrag, steht in den Buchhandlungen und Lieschen Müller mit dem selben Thema nicht. Wieso? Ein Grund ist sicher seine Erfahrung und die langjährige Präsenz auf der Literaturbühne –Kolumnen und Co. Dennoch ist er nicht anders als du und ich. Auch Herr Hacke ist entsetzt über das grobe Miteinander, das in unserer Gesellschaft vorherrscht, schafft es mit seinen Gedanken aber an die Spitze der Charts, während Frau Müller abgelehnt wird.

 

Googelt man die Frage: Wann wird ein Buch zum Bestseller?, bekommt man viele Antworten, die noch mehr Fragen aufwerfen. www.literaturtipps.de zum Beispiel schreibt:»Ein Bestseller ist ein Buch dann, wenn es sich häufiger als 100.000 Mal verkauft hat.« Das ist schon ziemlich enorm, wenn man bedenkt, dass man so viele Menschen zum Kauf des Buches überreden muss. Natürlich hat jeder Verlag ein Konzept, das er mit Marketing-Experten entwickelt, und verfolgt einen konkreten Absatzplan. Dennoch müssen auch diese den richtigen Zahn der Zeit treffen und erstmal so viele Leute überzeugen.

Überrascht hat mich die Aussage auf die Frage: »Wie schreibt man einen Besteller?«, »dass das natürlich nicht mit Geschichten geht, die man schon 100 Mal in dieser oder jener Form gelesen, gehört und gesehen hat …« und »Auf die Bestsellerlisten kommen Bücher, die innovativ sind, die etwas Neues wagen, überraschen.« Ist das wirklich so? Waren wir tatsächlich alle von der Geschichte hinter 50 Shades of Grey überrascht? Mal ehrlich, es war die typische Hollywood-Geschichte – Frau, introvertiert und ohne Selbstbewusstsein, trifft gutaussehenden Millionär, verquer und nicht bindungsfähig … sie rettet ihn und sie werden glücklich bis an ihr Lebensende. Neu war für einige lediglich das bisschen Gehaue und Gefessele. Aber wenn man sich die Bücher mit den gleichen Themen anschaut, die gerade als EBook schon seit Jahren kursieren, wird man schnell eines Besseren belehrt. Und alle Bücher, die danach kamen – die Bücher von Samantha Young, »Die Wellington-Saga von Nacho Figueras« und viele andere – waren tatsächlich auch Bestseller, sogar auf internationalem Parkett, aber nicht neu.

Es gibt eine Theorie von Christopher Booker (The Seven Basic Plots), wonach es nur 7 Plots gibt, die immer wieder auftauchen, es also nie etwas »Neues« geben kann. (Wir haben schon darüber berichtet – https://autorenberater.de/der-mythos-vom-ideenklau/). Überlegen Sie mal, wann Sie zuletzt etwas komplett neues und nie dagewesenes gelesen haben …

Das kann es also nicht sein. Schaut man sich mal an, was auf den Listen zu finden ist, so sind es oft Bücher von den gleichen Autoren, eingekaufte Biografien von Bohlen, Becker und Katzenberger oder Sachbücher zu Themen, die gerade scheinbar aktuell sind, so auch mein Buch vom Anstand.

Die FAZ hat 2016 einen sehr interessanten Artikel zu diesem Thema veröffentlicht (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/wie-geht-bestseller-auf-der-suche-nach-dem-erfolgsrezept-14126596-p2.html) in dem sie auch die Selfpublisher aufgreift – ein noch immer totgeschwiegener Markt im Diskussionskreis vermeintlich etablierter Literarten und Kritiker. Dort berichten sie von Elke Bergsma, die sich selbst verlegt hat, nachdem kein renommierter Verlag sie wollte, und »schon ein halbes Jahr später gab sie ihren Beruf als PR-Beraterin auf und wurde Bestsellerautorin in Vollzeit: Hunderttausend Bücher hatte sie damals bereits verkauft; heute ist die Zahl auf das Sechsfache angewachsen.« Mit Ostseekrimis hat sie sich ihren Platz an der Spitze erschrieben. Regionalität ist noch immer ein Graus für viele große Verlage. So wurde auch Sebastian Fitzek zu Beginn nahe gelegt, seine Krimis zu amerikanisieren, weil sich niemand für Bücher dieser Art interessiere, die in Deutschland spielen.

Interessant fand ich auch den Beitrag zu dem Buch eines Försters, mit dem eigentlich niemand gerechnet hatte. Auch sein Verlag schien eher gelangweilt, so der Autor selbst.

»Unlängst war ein großes Porträt über den deutschen Förster und Bestseller-Autor Peter Wohlleben in der „New York Times“ zu lesen, das versuchte, für den gigantischen Erfolg des Buchs „Das geheime Leben der Bäume“ eine zwingende Erklärung zu finden. Es fand keine. Bestseller lassen sich eben nicht in eine allgemeingültige Formel pressen.« (AdR: ebenfalls aus dem Artikel der FAZ) Dieses Beispiel finde ich deshalb so kurios, weil ich mir nicht erklären kann, was am Baum so interessant sein soll, dass das Buch so viele Leser findet. Zugegeben, vielleicht bin ich vorbelastet, weil mein Cousin Forstwirtschaft studiert hat, Doktor auf dem Gebiet ist und schon mein Opa dafür gesorgt hat, dass wir Kastanien von Tannen unterscheiden können. Aber kann das Thema Bäume tatsächlich so interessant sein, dass mehrere tausend Menschen ein Buch dazu kaufen?

Selbst bei einer guten Marketingstrategie kann ich mir das nicht vorstellen. Überlegen Sie einmal selbst, wann Sie ein Buch kaufen und welcher Kauf durch die Medien beeinflusst wurde. Ich gehöre zu den Leuten, die 50 Shades of Grey und Twilight missachtet haben, weil mir der Hype und das Mediengequatsche auf den Nerv ging. Das sind aber Bücher, die eine breite Masse ansprechen und schnell ihre Leser finden, ob der Einfachheit ihres Inhalts und der vermeintlichen Neuheit. Aber was soll an Bäumen so rasend sein, dass Sie ein Buch darüber kaufen? Kürzlich diskutierten wir im Büro darüber, weil auch meine Kollegin auf diesen Artikel aufmerksam wurde – sie kauft sich das Buch jetzt, weil sie wissen will, was an dem Buch so toll ist. Da scheint also das Marketing-Konzept aufzugehen. Man spekuliert in diesem Fall auch, dass»sein Auftritt in der NDR Talk Show den Stein ins Rollen brachte. Auch bei Markus Lanz brillierte er, beinahe die Hälfte der Sendezeit drehte sich um den „unkonventionellsten Förster Deutschlands“, und die Runde staunte: „Ach!“; „Nee, jetzt!“, „Echt?“; „Wow!“ Wohlleben selbst war Ende des letzten Jahres übrigens überzeugt, dass der Wirbel um sein Buch bald nachlassen würde. Er hat sich getäuscht. Es steht immer noch auf Platz 1 der „Spiegel“-Bestsellerliste.«(AdR: ebenfalls aus dem Artikel der FAZ)

 

Wenn Sie sich einmal selbst auf Recherche-Reise begeben und Artikel zum Thema Bestseller suchen, werden Sie auf viele interessante Beiträge stoßen. Ich könnte seitenlang Zitate sammeln und aufzeigen, wie es funktioniert und wie nicht. Letztlich sind es aber nur Beispiele und ein Patent lässt sich nicht daraus entwickeln – darüber sind sich alle einig.

Eine Sache möchte ich aber noch aufgreifen und das sind die Publikumsverlage mit ihrer Arbeit. Dort werden oftmals Ideen eingekauft oder entwickelt, von denen man denkt, sie könnten funktionieren. Oder es werden Lizenzen für Bücher erworben, die bereits im Ausland erfolgreich waren. Dabei setzt man natürlich bei der Höhe der Investition darauf, am Ende auch entsprechenden Gewinn zu machen und das hängt auch von einer Platzierung auf den Bestseller-Listen ab. »Ob aus einem Buch ein Bestseller wird, ist reine Spekulation. Aber es gibt Indizien, die sich bisweilen abzeichnen, noch ehe das Buch überhaupt geschrieben ist und nur als Idee existiert: So ein Indiz ist die Auktion. Glauben Agenten, dass ein Stoff oder das Manuskript ihres Autors das Zeug dazu hat, mehr als nur einen Verlag zu interessieren, eröffnen sie ein Bietgefecht. In diesen Tagen kurz vor Beginn der Leipziger Buchmesse finden diese Auktionen zuhauf statt. Die Interessenten versammeln sich nicht etwa in einem holzgetäfelten Saal, und der Auktionator schwingt auch keinen Hammer. Der Wettstreit um die Manuskripte findet ganz prosaisch per E-Mail statt und zieht sich über mehrere Tage.« (AdR: ebenfalls aus dem Artikel der FAZ)

Seit einem halben Jahr haben wir ein neues Mitglied im Team; eine Lektorin, die viele Jahre für einen sehr renommierten Kinderbuch-Verlag gearbeitet hat und genau weiß, was es heißt, Lizenzen für Titel aus dem Ausland einzukaufen, Geschichten zu entwickeln und Autoren für diese zu suchen. Trotz des Namens und des Budgets, das hinter vielen Projekten stand, hat auch sie es nicht immer geschafft, jedes Projekt in den Buchhandel zu bekommen – ein Platz auf der Bestseller-Liste wurde gefeiert wie ein 100ster Geburtstag. Dabei sollte man doch meinen, dass man gerade da wüsste, wie es funktioniert und auch die nötigen Kontakte hat. Streben die Autoren nicht immer den Publikumsverlag-Vertrag an, weil sie genau das erwarten? Aber wenn der eigene Verlag, der so viele Jahre Erfahrung auf dem Buckel hat, nicht für den Erfolg garantieren kann, wer soll es dann können?

 

Letztlich gibt es keine Zauberformel: Stefanie Meyer war mit Twilight zur richtigen Zeit am richtigen Ort; Lisa J. Smith mit ihren »Vampire Diaries« war bereits 1991 in diesem Bereich aktiv und schrieb diese als Trilogie in neun Monaten für Alloy Entertainment. Harper Collinskaufte diese und veröffentlichte die Werke. Nach dem Erfolg von Twilight wurden die Bücher neu aufgelegt und es erschien sogar eine gleichnamige Fernsehserie. Von so einem Erfolg träumen natürlich viele Autoren. Doch gerade im Fall Lisa J. Smith zeigen sich auch die Schattenseiten der Verlagsarbeit. Die Vampirromane waren eine Auftragsarbeit – Work fore hire-Vertrag – was bedeutet, dass alle Rechte beim Verlag liegen, d.h. die Autorin durfte die Reihe nach dieser angeforderten Trilogie auch nicht weiterschreiben. Nach Unstimmigkeiten wurde der Vertrag aufgelöst und Ghostwriter haben ihre Arbeit fortgesetzt. Lisa J. Smith ist nun auch im Selfpublishing-Bereich aktiv und hat auf Kindle Worlds eine eigene Fortsetzung des Klassikers veröffentlicht.

Marah Woolf – heute eine der erfolgreichsten Fantasy-Autorinnen Deutschlands – wurde von allen Verlagen abgelehnt und hat ihr Glück selbst in die Hand genommen. Nachdem sie sich durch gute Bücher und harte Arbeit eine loyale Fan-Basis aufgebaut hatte, hat sie nun Oetinger im Rücken und ihre Trilogie »Götterfunke« landete auf der Bestseller-Liste. Verrückt ist, dass sie vorher bereits Verkaufszahlen vorweisen konnte, von denen klassische Verlage nur träumen konnten (250.000 laut Zeit.de aus dem Jahr 2014) – aber Selfpublishing und E-Book sind eine Parallelwelt, die nicht gern gesehen wird bei den »alteingesessenen Buchmarkt-Bestimmern«.

 

Was sagt uns das? Verlage haben auch kein Rezept, erkennen nicht immer, wer es schaffen kann und liegen oft daneben. Aber wenn die Leser loyal zu einem stehen, es die richtige Zeit ist, man Zeit und Mühe in seine selbstveröffentlichten Projekte investiert, der richtige Mensch unser Manuskript in die Hand bekommt und dann dafür brennt, kann es klappen.

Unterm Strich sollten Sie als Autor für Ihr Projekt brennen und Ihre Leser mit Ihren Worten anzünden. Verbrennen wir die unnützen Bestseller-Listen und brennen wir gemeinsam für das geflügelte Wort.